Der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers hält eine allgemeine Impfpflicht für zulässig. Sie sei mit dem Grundgesetz vereinbar, sagt Möllers im Gespräch mit der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT. „Wenn man sieht, dass wir mit der Impfung eine Maßnahme haben, die sicher und effektiv ist, dann ist es schon plausibel zu sagen, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Solidaritätspflicht einfordern kann, um noch mehr Krankheitsfälle, noch mehr Tote zu verhindern. Wer sich nicht impfen lässt, wälzt das eigene Risiko auch auf andere ab.“
Verstöße gegen eine Impfpflicht müssten sanktioniert werden, sagt Möllers. „Wenn man eine direkte allgemeine Impfpflicht hat, würde man Menschen, die sich nicht impfen lassen, dazu verpflichten, ein Bußgeld zu zahlen. An unmittelbaren, körperlichen Zwang denkt hoffentlich niemand.“
Möllers kritisiert zugleich das Bundesverfassungsgericht, weil es bislang noch nichts zu den Verfassungsbeschwerden gegen die Masern-Impfpflicht gesagt habe. Das sei „schade“, sagt Möllers. „Wenn diese Verfassungsbeschwerden entschieden worden wären, wüssten wir alle viel mehr, und der Gesetzgeber hätte größere Sicherheit, was allen in der aktuellen Debatte um Impfpflicht gegen Corona sehr geholfen hätte. Ich bedauere wirklich, dass das Gericht da nicht zur Klärung beigetragen hat.“
Die häufig vorgetragene Sorge, eine Corona-Impfpflicht trage zur Spaltung der Gesellschaft bei, hält der Verfassungsrechtler nicht für überzeugend. „Ich finde, so ein Argument ist immer eine Prämie für Radikalisierung.“, sagt Möllers der ZEIT. „Das Argument belohnt es ja, wenn Leute sich besonders aggressiv gegen etwas zur Wehr setzen, was mehrheitlich als richtig anerkannt wird, und dann mit Spaltung drohen. Wenn man sich darauf einlässt, schafft man einen eigentümlichen Anreiz: Wer am lautesten schreit, gewinnt am meisten Einfluss.“ Möllers fügt hinzu, er halte „das Spaltungsargument für eine Fiktion, mit der Politiker Konflikte vermeiden wollen.“